Heimatverein Bubenreuth e. V.

Unser Ort hat Tradition - wir pflegen sie

Der "klingende Ort" Bubenreuth

Um Bubenreuth den "klingenden Ort" unter dem Aspekt des Streich- und Zupfinstrumentenbaues darzustellen, ist es notwendig, auf die Ansiedlung der heimatvertriebenen Sudetendeutschen einzugehen.

Der ehemalige Standraum des Musikinstrumentenbaues lag im Erzgebirge. Die Städte Schönbach, Graslitz, Markneukirchen und Klingenthal bildeten das Zentrum des Musikinstrumentenbaues, so nannte man dieses Gebiet auch den "Musikwinkel". In Graslitz wurden Blech- und Holzblasinstrumente hergestellt, um Klingenthal gruppierten sich die Harmonika- und Blas­instrumentenmacher, während in Schönbach und Markneukirchen Streich- und Zupfinstrumente gefertigt wurden. Im geschichtlichen Rückblick lässt sich feststellen, dass dieses Gebiet im 11.Jahrhundert n. Chr. besiedelt wurde. Im 14.Jahrhundert setzte der Erzbergbau ein. Die ersten Geigen- und Lautenbauer werden Anfang des 17.Jahrhunderts erwähnt. Sie waren zu Beginn nicht ausschließlich Musikinstrumentenbauer, sondern übten gleichzeitig einen zweiten Beruf aus. Die damaligen Kunden waren reiche Patrizier, die mindestens einmal im Jahr in ihren Bergwerken nach dem Rechten sahen und als Souvenir eine Geige oder Laute mit nach Hause nahmen. Hauptursache für die Ausbreitung der Musikinstrumentenherstellung war der Niedergang des Erzbergbaues.

Aufgrund des Potsdamer Abkommens vom 2.August 1945 wurden über 3 Millionen Sudeten­deutsche aus ihrer Heimat vertrieben. Darunter befanden sich auch die Instrumentenbauer aus dem böhmischen Musikwinkel. Ein Teil kam in die sowjetische Besatzungszone, der größere Teil nach Bayern. Das Bayerische Staatsministerium für Wirtschaft hatte im Landkreis Erlangen eine Siedlung für 2000 Personen geplant. Dass es zum Bau der "Geigenbauer-Siedlung" in Bubenreuth kam, ist dem damaligen Landrat Willi Höhnekopp und dem Bubenreuther Gemeinderat zu verdanken.

Am 20.Oktober 1949 fand die Grundsteinlegung zur "Geigenbauer Siedlung Bubenreuth" statt. Damit begann eine neue Epoche in der traditionsreichen Geschichte des deutschen Streich- und Zupfinstrumentenbaues. Mit Unterstützung der St. Josef Stiftung Bamberg entstanden in den Jahren 1949 bis 1961 insgesamt 238 Häuser mit 548 Wohnungen. Von entscheidender Bedeutung für den Aufbau und die spätere Entwicklung des Musikinstrumentenbaues war nicht zuletzt die günstige verkehrsgeographische Lage. Die unmittelbare Angrenzung an die Stadt Erlangen bot dieser neuen Industrie-Siedlung  zahlreiche Vorteile. So waren Einrichtungen, wie Spedition, Zollämter, Banken, Postämter, die Industrie- und Handelskammer und die Handwerkskammer in nur geringer Entfernung zu erreichen. Von der neuen Siedlung und den darin spürbaren ungebrochenen Lebens- und Aufbauwillen der Heimatvertriebenen musste auch die Infrastruktur der Gemeinde mithalten. So entwickelte sich Bubenreuth durch das deutsche Zentrum des Streich- und Zupfinstrumentenbaues zur zweitgrößten Gemeinde des Landkreises Erlangen-Höchstadt.

Die Produktpalette des Streich- und Zupfinstrumentenbau-Zentrums lässt sich in die Gruppen Streich- und Zupfinstrumenten-Hersteller und Bestandteil- und Zubehörmacher einteilen. In den Jahren des Aufbaus wurden hauptsächlich Geigen (Violinen), Violas (Bratschen), Celli und Kontrabässe, ferner Wander-, Konzert- und Elektrogitarren, Mandolinen und Elektrobässe produziert, daneben aber auch Lauten, Banjos, Ukuleles, Mantolas, Zithern, Hackbretter und Hawaigitarren. Nicht alle Teile eines Instrumentes fertigt ein und dieselbe Firma. Vielmehr hat jede Instrumentenwerkstatt ihre Bezugsquellen für Bestand- und Zubehörteile, woraus sich eine zweite Gruppe der Bubenreuther Musikinstrumenten-Industrie ergibt. Die zur Anfertigung eines Instruments notwendigen Teile, wie Böden, Decken, Hälse, Griffbretter, Saitenhalter, Stege, Wirbel und Mechaniken werden in den Instrumentenwerkstätten, durch Heimarbeiter oder von selbständigen Familien- und Kleinbetrieben hergestellt. Saiten, Bogen, Bogenfrösche, Stimmpfeifen, Etuis, Taschen, Tragbänder, Kapodaster, Feinstimmer, Dämpfer sowie Schulterstützen sind Zubehörteile. Sie werden traditionsgemäß von selbständigen Spezialbetrieben gefertigt und meist getrennt vom Instrument verkauft. Die Spezialisierung der Kleinmusikinstrumenten-Herstellung des alten "Musikwinkels" bleibt in Bubenreuth bis heute erhalten, allerdings in einem geringeren Ausmaß.

Instrumente, deren Bau eine Kunst geblieben ist, wie zum Beispiel teuere Meistergeigen oder historische Instrumente, werden meist auf Bestellung von einem einzelnen Meister oder einem kleinen Handwerksbetrieb gebaut. Mit seinem Namen verbürgt sich dieser für die Qualität der Instrumente, deren Herstellungsverfahren oft von Generation zu Generation in der Familie vererbt wurde. Mehrere Bubenreuther Bogenbaumeister haben sich ausschließlich auf die Herstellung hochwertiger Bogen für Konzertmeister und Solisten von Weltrang spezialisiert. Sie fertigen Bogen genau nach den Angaben ihrer Kunden, wobei das Gewicht und die Gewichtsverteilung oft bis auf ein Gramm genau vorgegeben ist.

Die in Bubenreuth angesiedelten Instrumentenbauer integrierten sich auch in die vorhandene Wirtschaftsordnung. Es gab eine Trennung von Industrie und Handwerk. 1954 gründete man eine eigene, selbständige "Streich- und Zupfinstrumentenmacherinnung". Die Zahl der Innungsmitglieder stieg von 26 Gründungsmitgliedern auf über 60. Von Anfang an war es das Bestreben der Innung, die Ausbildung des Nachwuchses zu fördern. Eine große Zahl von Gesellen konnte bis zur Ablegung der Meisterprüfung geführt werden. Heute bilden sie den Stamm der Innungsmitglieder.

Die Globalisierung traf in den vergangenen Jahren auch den Instrumentenbau. Hauptsächlich Schülerinstrumente zu erschwinglichen Anschaffungskosten liesen sich nur noch durch sehr niedrige Löhne und eine industrielle Fertigung erreichen. Hier konnten die „Kunsthandwerker“ nicht mithalten. Was in Bubenreuth geblieben ist, ist meisterliche handwerkliche Qualität, welche keine Maschine ersetzen kann.

                                                                           Text und Foto Heinz Reiß